Prefacio: Vom Wesen der Dinge
Anmerkungen zur Sachkultur
Wir alle haben Dinge. Zum Beispiel weil wir sie brauchen. Wir trinken aus ihnen, waschen darin unsere Wäsche, fahren damit zur Arbeit, schauen sie oft an, hängen sie an Wände, werfen sie in Mülltonnen oder schießen sie durch Tore, tragen sie an den Füßen, setzen sie uns auf den Kopf, stellen sie ins Wohnzimmer, sitzen auf ihnen, malen sie an, verpacken und verschenken sie. Sie sind allgegenwärtig, nicht wegzudenken und am Ende legen wir uns sogar in eins rein und verschwinden damit in der Erde.
Dinge sind nützlich, können aber auch einfach nur im Weg herum liegen. Dazwischen gibt es eine Menge Nuancen. Es gibt Dinge die wir innig lieben, und solche, mit denen wir niemals etwas zu tun haben, die wir meiden, oder mit denen wir nur selten in Berührung kommen. Einige brauchen wir höchstens ein- bis zweimal im Leben. Danach könnten sie eigentlich für immer weg, aber trotzdem bleiben sie bei uns, manchmal sehr lange. Manchmal wissen wir, warum das so ist, manchmal wissen wir das nicht.
Warum kaufen und verwenden, warum behalten und horten, warum sammeln und verehren wir Dinge? Welche sind uns egal und welche sind uns heilig? Was bedeuten sie uns, was glauben wir, in ihnen zu sehen und was projizieren wir in sie hinein? Was wissen wir über ihren Ursprung, ihre Konsistenz, ihren Wirkungsgrad und ihre Nachhaltigkeit, und was wissen wir nicht über sie, bzw. wie wenig wissen wir darüber, was sie zu etwas Wertvollem und Wichtigem für uns machen kann und in welchem Fall und warum das geschieht?
Und um diese und ein paar andere Fragen in all ihrer Umfänglichkeit soll es hier gehen. Von der rein deskriptiven Erfassung der ganz normalen, alltäglichen Dimensionen des Dinghaften, bis hin zu den bewussten wie unbewussten Ebenen unseres Dingbezugs. Denn Letzterer ist oft rätselhaft.
Während hunderte von metallenen, irdenen oder gläsernen Besitztümern in der Garage vor sich hin korrodieren, im Keller Schimmel und im Regal Patina ansetzen oder im Speicher von Mäusen zernagt werden, stellen wir uns viel zu selten die Frage, warum wir ihnen dieses Schicksal auferlegen. Ist das Egoismus? Missbrauchen wir sie als unbewegliche, in Kisten oder auf Brettern lagernde Platzhalter für die vergessenen Erlebnisse und Taten unseres Lebens? Als stumme Trophäen unseres Lebenslaufs? Als in handliche Stapelware überführte Ideen, Vorhaben, Wünsche und Erinnerungen, die wir einmal hatten? Stehen sie für das, was wir (mit ihnen) erlebten und vollbrachten oder aber schon immer mal mit ihnen tun wollten, aber dann nie getan haben?
Sind sie die Stellvertreter längst vergessener oder verdrängter Gedanken, deren physische Manifestation wir in den Schwerlastregalen unserer Häuser und Keller abgelegt haben, damit wir sie besitzen und beherrschen oder auch im Umkehrschluss befreit von ihnen fühlen und zwischen ihnen unbelastet hindurch turnen können? Wollen wir sie für uns rosten lassen, damit wir weiter rastlos sein können?
Könnten wir gar mehr über uns selbst erfahren, wenn wir beginnen würden, den Dingkosmos um uns herum einmal genauer aufzuschlüsseln? Wenn wir das, was wir in mehr oder weniger schönen Arrangements anhäufen und um uns herum gruppieren in seiner Sinnhaftigkeit besser deuten und die Form, Anzahl und Varianz dessen, was uns umgibt, treffender interpretieren könnten, als mit einem einfachen: „tja, das hat sich halt so angesammelt“?
Wer weiß. Beginnen wir, darüber nachzudenken.
Das gehört in ein Museum
Indiana Jones