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Partykultur: Schüsseln, Schalen und Accessoires
Von der neuen Mode, Gäste zu bewirten
von Anna Strübel
Die 1950er Jahre stehen für eine große Aufbruchsstimmung, der Wiederaufbau war im vollen Gange und die Designer versuchten sich an neuen Formen. Neben dem Klassiker Nierentisch im Möbelbereich gab es neue Formen und Farben auch beim Geschirr.
In dieser Zeit kam eine neue Gesellschaftsmode auf, die bis weit in die 1970er Jahre hielt: man lud Gäste ein und bewirtete sie in den eigenen vier Wänden. Ein Effekt des Wirtschaftswunders war der steigender Wohlstand und eine stetig sich verbessernde Lebensmittelversorgung mit immer exotischeren Nahrungsmitteln. Was in den unmittelbaren Nachkriegsjahren noch nicht möglich gewesen war, wurde nun nach der Zeit des Mangels besonders zelebriert.
Mit dem Wirtschaftswunder wollte man den aufkommenden kleinen Wohlstand auch mit Freunden, Arbeitskollegen und manchmal auch dem Vorgesetzten teilen. Damit stellte man seinen neuen kleinen Reichtum zur Schau, der sich auch in immer ausgefalleneren Gerichten (Toast Hawaii) und ungewöhnlichen Häppchen (Russische Eier) zeigte. Bei der Bewirtung legte die Hausfrau Wert auf besondere Speisen und die Optik der Präsentation.
Eine neue Partykultur
von Andreas Garitz
Parallel des Repräsentationsgedankens entwickelte sich aber auch eine ganz neue Partykultur, die sich in vielen Accessoires wiederspiegelte. Das fing bei den Raucherutensilien an, betraf die Tischdekoration und ging bis zu den ungezählten Schalen und Schüsselchen, in denen man Gebäck und Knabberzeug auffuhr. Dazu kamen die Artikel und Scherzartikel rund um das Feiern und Trinken und schließlich die Ausstattungen und Möbel der eigenen Hausbar. Gerade in den 1960ern bis in die 1980er Jahre hinein war das Vorhandensein eines eigenen Partykellers im eigenen Haus obligatorisch. Im Gegensatz zur öffentlichen Präsentation der eigenen Gastfreundschaft und des eigenen, kleinen Reichtums im Wohn- und Essbereich ging es hier aber oft eher darum, seinen eigenen und nichtöffentlichen Raum zum Feiern und sich Auslassen zu besitzen. Partykeller befanden sich schon vom Namen her eher im Verborgenenen, ganz im Gegensatz zu den Objekten, die man in der Glas-Schaulade seines Wohnzimmerschrankes präsentierte. Die Parties waren oft wild, nicht nur zu Karneval und Silvester.
Exponate
Servier-Kachel mit Straßenansicht

Bunt bedruckte Steingut-Kachel, die als Tischuntersetzter Verwendung fand, ursprünglich aber als Kachelfliese für die Küche oder andere Räume produziert worden war. Das Sujet erinnert sehr stark an die Motivik auf Souvenirs aus dem Mittelmeerraum der 50er und 60er Jahre, 15x15 cm, Privatbesitz Augsburg.
Henkelschale Bunte Blüte

Henkelschale, Edelstein Bavaria, Modell „Bunte Blüte“, 1950er Jahre, mittelfränkische Privatsammlung. Aus der Zeit der neuen Gastlichkeit stammt auch die hier gezeigte Schale mit einem plastikumwickeltem Peddigrohr-Griff. Sowohl die ungewöhnliche Form eines leicht abgerundeten Dreiecks, als auch die Art des Griffes sind für diese Zeit typisch. Wie ungezählte andere Schälchen, Schüsseln und Anreichgeschirre der Zeit wurde sie sicherlich für Konfekt, Gebäck oder die schon genannten kleinen Häppchen genutzt.