Autowandern

Die Welt durch Windschutzscheibe und Seitenfenster betrachtet. Praktik und Problematik des Autowanderns

von Stephan Bachter

Der Ausdruck „Autowandern“ stammt aus einer längst vergangenen Epoche, aus der Zeit, in der sich wirtschaftswunderzeitlicher Wohlstandszugewinn in der Anschaffung eines eigenen Automobils manifestierte, in der die autogerechte Erschließung von historischen Innenstädten und unberührten Naturschönheiten als Fortschritt galt und in der ein eigenes Auto verhieß, die Welt auf eigene Faust, nach eigenem Gusto zu erkunden (und nicht in der KDF-muffigen Kollektivität einer Busreise). Definitiv ist „Autowandern“ ein Begriff aus der Zeit vor der ersten Ölkrise 1973, von der sich die Bilder der „autofreien Sonntage“ tief ins kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik eingeprägt haben.[1] „Autowandern“ kann als konkret verwirklichte anthropogene Mobilität in realen Landschaftsräumen definiert werden. Als Begriff und Tätigkeit taucht „Autowandern“ in der Zwischenkriegszeit auf, in der die Möglichkeit des „Wanderns“ im eigenen Automobil allerdings noch einer relativ kleinen Zahl von Kraftwagenbesitzern vorbehalten blieb. In der Nachkriegszeit, im Zuge der Automobilisierung der bundesrepublikanischen und anderer westeuropäischer Gesellschaften, wurde Autowandern zum Breitenphänomen. Das Buch „Autorama. Bild-Autoführer durch Südtirol, Dolomiten, Ortler, Gardasee“ ist in erster Auflage bereits 1932 erschienen und wurde 1964 in vierter Auflage im 21.-35. Tausend gedruckt. Der Band gehört zu einer ganzen Reihe von „Autorama-Bild-Autoführern“ zu alpinen und präalpinen, hauptsächlich österreichischen Destinationen. Im Klappentext wird die Intention der Reihe so beschrieben: „Der Name ‚Autorama‘ bedeutet soviel wie ‚Autosicht‘ bzw. Sehen vom Auto aus. Damit ist die Zielsetzung dieses neuartigen Reiseführers angegeben. Er will dem Reisenden im Kraftwagen schnell und zuverlässig Überblick über das durchfahrene Gebiet vermitteln.“[2] „Autowandern“ zielt also auf die touristische Aneignung einer Gegend ab. Im Gegensatz zu Spaziergängen, Stadtrundgängen oder Fußwanderungen geschieht das touristische Erlebnis dabei aber nicht durch Wadenkraft, sondern durch einen Kraftwagen.

Die Ausstellung „Verschwundene Dinge“ nimmt das Phänomen „Autowandern“ in zweierlei Hinsicht unter die Lupe. zum einen dokumentiert es Sachzeugnisse und Objektivationen aus der Ära des Autowanderns, zum anderen werden subjektive Schilderungen und Erzählungen von Autowander-Erlebnissen gesucht. Wer eine Geschichte zum Thema „Autowandern“ beitragen möchte, kann sich gerne an die Autoren dieser Ausstellung wenden. Eine Mittelstellung zwischen objektivem Sachzeugnis und subjektivem Bericht nehmen Photographien ein, die touristische Unternehmungen mit dem Auto dokumentieren. Die hier gezeigten Aufnahmen stammen aus einem privaten Bildarchiv und werden erstmals publiziert.

[1] vgl. Hohensee, Jens: Der erste Ölpreisschock 1973/74. Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der arabischen Erdölpolitik auf die Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa. Stuttgart 1996 (= Historische Mitteilungen, Beiheft 17).

[2] Klappentext zu Langes, Gunter: Autorama. Bild-Autoführer durch Südtirol, Dolomiten, Ortler, Gardasee. Innsbruck 41964.

Autowandern in den Alpen

Mit der BMW Isetta auf 2000 Meter

Autowandern im Alpenvorland

Mit dem Opel Kadett auf Bergwandertour

Autowanderkarte 1950er Jahre

Deckblatt einer Autokarte der Niederlande (Abschlussdeich der Zuiderzee) mit klarer touristischer Perspektive. Gulf Oil (Nederland) N.V. (Hg.), das Firmenlogo auf dem Deckblatt wurde fototechnisch entfernt.

Autowanderkarte 1960er Jahre

Auto-Wander-Karte mit Panorama-Karte: Bayerische Alpen und Nordtirol, Vertrieb und Copyright: Esso AG, Kartographie und Herstellung: Karl Thiemig KG München 1967.

Touristischer Autobahnführer

Autobahnführer als touristischer Reiseberater: der Fokus liegt auf den Sehenswürdigkeiten entlang der Strecken, den Beschreibungen von Raststätten samt ihren Aussichtspunkten, den markanten Wegmarken der Autobahnen wie Brücken oder Kontenpunkten, sowie Hinweisen auf nahe Badmöglichkeiten, Naturwunder o.Ä.. Messerschmidt, Dr. H., Autobahnführer, ein Reisebegleiter für alle Kraftfahrer, Gütersloh 1961.  

Quittung Autobahnführer

Der Beleg erzählt davon, dass der Reiseführer gleich an der Tanke während der Fahrt eingekauft wurde: Noch schnell eine Autowäsche und ab in die Landschaft und die Natur.

Kennzeichenliste

Ein beliebtes Spiel während der Fahrt war für die Kinder das Erraten der Städte, die sich hinter den jeweiligen Kennzeichen der Autos verbargen. National wie International. Wohl aus diesem Grund liegen in dem Buch zwei lose Seiten mit einer Kennzeichenübersicht ein. Sie wurden sicherlich während der Reise als "Rätsellöser" benutzt.

Sternfahrten

3 Bände aus der Reihe: Friedrich, Hans Eberhard, Mercedes Sternfahrten, Reisen mit Nutzen und Genuß, herausgegeben von der Daimler-Benz AG und dem C. W. Leske Verlag. Band 11, 12 und 13 (Benelux, Deutschland I und II), Opladen 1968ff., mit Federzeichnungen von Theo Scharf und ausfaltbaren farbigen Landkarten.

Sternfahrten, Dtschld. I, Route 5

Route 5: Oberhessen, Rhön und Vogelsberg, Band 12, Deutschland I, Opladen 1969.

Sternfahrten, Benelux

Auszug und Karte aus Band 11, Benelux, Opladen 1968.

Autowandern in den 30ern

Schwarzweiß-Fotografie vom Autowandern in den 1930er Jahren (wer weiß, was das für eine Auto ist?)

Tankstelle als Reisestation

Die Tankstelle avanciert zum internationalen Reisetreffpunkt, Esso-Werbung 1960er Jahre, in: Das Beste aus Reader´s Digest, Jg.16, Nr.10, Oktober 1963, S.91 (selbstgebundene Ausgabe).

Autoreiseführer freie Fahrt

Strassenatlas mit Reise-, Kultur- und Esstips längst der Strassen der Republik. Im Vorwort "Die Kunst des Reisens" von Ludwig Reiners wird das Autoreisen als die freieste aller Reisemöglichkeiten gepriesen, da sie nicht an Fahrpläne und Schienenstränge gebunden ist. Wichtiger als der Ziel ist der Weg und die Zeit, die man sich für diesen nimmt: "Wer nur reist, um anzukommen, wir die Eisenbahn benutzen. Wer aber reist, um zu reisen, der wir die königliche Kunst des Autoreisens vorziehen". Freie Fahrt, ein Reisebegleiter für den Autofahrer, Gütersloh 1956, S.6f.

Freie Fahrt, deutsche Dome

Eine der Übersichtsseiten zu kulinarischen und kulturellen Schätzen entlang der Autostraßen widmet sich den deutschen Domen. Andere zeigen Burgen, Schlösser, Museen, Camping- und Badeorte oder die Ess- und Trinkspezialitäten der deutschen Landschaften.

Kursbuch für Wagen und Magen

Ein Autoreiseführer, der nebst Routenvorschlägen zugleich zu den Kulturlandschaften, den Naturschauplätzen, sowie den Sehenswürdigkeiten und Spezialitäten des Landes führt. Wildhagen, Dr. Eduard (Red.), Kursbuch für Wagen und Magen, Autoführer Bundesrepublik Deutschland und Berlin, Herausgegeben von der BP Benzin- und Petroleum-Gesellschaft M.B.H., Hamburg um 1955.

Kursbuch, Fränkische Schweiz

Übersicht zu Routen, Baudenkmälern und regionalen Speisen und Getränken, hier: Fränkische Schweiz.